Bericht Tagesanzeiger.ch vom 14.10.2013
«Europcar Autovermietung Portugal, 410.45 Franken» stand auf der Kreditkartenrechnung von Patrick Huber *. Der Inhaber einer Visa-Karte von Cornèrcard wunderte sich, denn für das Mietauto an der Algarve hatte er längst bezahlt. Er beanstandete daher den Betrag mit dem entsprechenden Formular. So stellte sich heraus, dass die nachträgliche Belastung wegen eines Kratzers auf einem Türgriff erfolgt war. «Diesen Kratzer habe ich nicht verursacht und hatte auch keine Möglichkeit, ihn bei der Fahrzeugübernahme zu bemängeln», schrieb Huber an Cornèrcard. Auch habe er nie für diesen Betrag unterschrieben.
Der Hintergrund: Beim Fahrzeug handelte es sich um einen Ersatz für den von einer Panne betroffenen ursprünglichen Mietwagen. «Der Mitarbeiter der Transportfirma, der das Auto auf einem Lastwagen anlieferte, sprach kein Wort Englisch, hielt mir ein paar Papiere zur Unterschrift hin und verschwand wieder», erinnert sich Huber. Auf Schäden habe man den Wagen nicht untersucht.
Cornèrcard tat, was Kreditkartenfirmen in solchen Fällen meistens tun: Die Firma stornierte die Belastung provisorisch. «Das machen wir immer dann, wenn die vom Kunden eingesandten Unterlagen wie Verträge, Schriftverkehr mit dem Händler etc. aus unserer Sicht eine Beanstandung rechtfertigen», erklärt Daniela Gampp von Cornèrcard. Gleichzeitig leiten die Kartenherausgeber ein sogenanntes Chargeback-Verfahren ein.
Visa und Mastercard als Richter
Dieses Verfahren läuft hinter den Kulissen ab und ist für die Kunden kaum durchschaubar. Zunächst wird die Reklamation an den Zahlungsabwickler (Acquirer) des Händlers weitergeleitet. Dieser muss beweisen, dass der Betrag zu Recht belastet wurde. Weist der Acquirer die Reklamation zurück, geht das Spiel in die zweite Runde. Wenn beide Seiten – Herausgeber und Acquirer – weiterhin auf ihren Ansichten beharren, kommt es zum Showdown: «Die Kartenorganisationen Mastercard respektive Visa schalten sich in der Rolle eines Friedensrichters ein», sagt Karin Aquilino von der UBS-Medienstelle. Der Schiedsspruch ist verbindlich, die unterliegende Partei muss die Kosten tragen.
Welche Regeln dabei zur Anwendung kommen und welche Beanstandungsgründe überhaupt zulässig sind, wollten die grossen Schweizer Kartenherausgeber auf Anfrage nicht verraten. Der mehrere Hundert Seiten dicke «Chargeback Guide» von Mastercard ist allerdings online zugänglich, wenn auch nur auf Englisch.
Falls die Kartenherausgeberin in diesem Verfahren unterliegt, heisst das noch nicht, dass sie dem Kunden den Betrag auch wieder belastet. «Wird der Chargeback-Prozess bis zur letzten Konsequenz geführt, besteht in der Regel auf beiden Seiten die feste Überzeugung, im Recht zu sein. Aus diesem Grund und weil das Verfahren mehrere Monate dauert, ist es eher unwahrscheinlich, dass wir bei einem negativen Entscheid die Transaktionssumme dem Karteninhaber erneut in Rechnung stellen», sagt Christine Gebhard, Mediensprecherin von Viseca. Auch andere Anbieter geben an, dass sie beanstandete Beträge zum Teil aus Kulanz übernehmen. Wenn eine provisorische Stornierung definitiv wird, erfahren die Kunden in der Regel nichts davon. Auch Patrick Huber hörte nichts mehr von Cornèrcard.
«Es war schmuddelig»
Zuweilen lehnen Kreditkarteninstitute eine Stornierung aber auch ab, nämlich dann, wenn sie ihren Kunden im Unrecht sehen. So weigerte sich Viseca, eine Zahlung von Peter Hunziker * an einen Zürcher Fitnessclub rückgängig zu machen. Hunziker hatte den Club ermächtigt, den Mitgliederbeitrag von monatlich 115 Franken jeweils seiner Mastercard zu belasten, wollte dann aber vorzeitig aussteigen. «Der Zustand des Clubs wurde immer prekärer. Es war schmuddelig, nötige Reparaturen wurden nicht ausgeführt, Reklamationen schubladisiert», klagt er.
Dafür hatte Viseca kein Gehör: «Die Dienstleistung wurde bisher vertragskonform erbracht, der Zutritt zu den Räumlichkeiten sowie die Nutzung der Einrichtungen ist für Sie weiterhin möglich», liess sie ihn wissen. Deshalb müsse er die Raten bis zum Ablauf des Fitnessabos weiterzahlen. Das brachte Hunziker in Rage: «Es ist doch nicht Aufgabe einer Kartenfirma, sich zur Gehilfin eines Dritten zu machen und sich ohne Rücksprache mit dem Kunden als dessen Anwalt aufzuspielen.»
«In der Tat geraten Kartenherausgeber bei Beanstandungen in eine heikle Richterrolle», bestätigt ein Brancheninsider. Die Herausgeber selber sehen sich eher in der Rolle eines Anwalts für ihre Kunden. «Wenn jemand eine Transaktion als ungerechtfertigt erachtet und das plausibel begründen kann, setzen wir uns voll dafür ein, dass er den Betrag zurückerstattet erhält», verspricht etwa UBS-Sprecherin Karin Aquilino. Im Kleingedruckten der Kartenfirmen ist dieser Einsatz für den Kunden nicht vorgesehen, im Gegenteil: Dort sichern sich die Firmen mit dem Hinweis ab, der Karteninhaber müsse Meinungsverschiedenheiten direkt mit dem Händler regeln – die Monatsrechnung sei gleichwohl fristgerecht zu bezahlen.
Keine Ware, keine Belastung
Rückfragen bei Cornèrcard, Postfinance, Swisscard, UBS und Viseca zeigen nun aber, dass Kartenzahler in einigen Fällen gute Chancen haben, eine Belastung auf der Kreditkartenrechnung rückgängig zu machen:
Ware wird nicht geliefert. Wer zum Beispiel im Internet etwas bestellt und bezahlt, kann die Transaktion bei seiner Kartenfirma beanstanden, wenn die Ware nicht eintrifft. Die Kartenfirma verlangt dann vom Händler den Nachweis, dass sie geliefert wurde. Kann er diesen Beweis nicht erbringen, wird die Belastung definitiv storniert.
Airline annulliert gebuchten Flug. Dieser Fall gehört ebenfalls in die Kategorie «nicht erbrachte Leistung» und berechtigt den Karteninhaber zu einer Stornierung. Das gilt auch dann, wenn er ein Umbuchungsangebot der Fluggesellschaft abgelehnt hat.
Kunde tritt zurück. Gute Karten hat auch, wer von einem vertraglichen Widerrufs- oder Rückgaberecht Gebrauch gemacht hat, ein Abonnement rechtzeitig gekündigt oder ein reserviertes Hotelzimmer frühzeitig abgesagt hat. Dies muss man allerdings belegen können. Die Kartenfirmen wollen in der Regel eine Gutschrifts- oder Annullierungsbestätigung des Anbieters sehen.
Händler belastet nachträglich. Zurückweisen dürfen Kartenbesitzer auch Nachbelastungen von Hotels für Minibar-Bezüge und von Mietwagenfirmen für Benzin, Bussen oder Schäden am Fahrzeug. «Der Karteninhaber hat in einem solchen Fall ja kein Einverständnis gegeben, einen bestimmten Betrag zu belasten», begründet der Berner Rechtsprofessor Thomas Koller. Daran ändere auch nichts, wenn sich ein Autovermieter im Vertrag vorbehalten habe, nachträglich auftauchende Kosten via Kreditkarte zu verrechnen. Wer tatsächlich eine Verkehrsbusse erhalten oder den Wagen nicht mit vollem Tank zurückgegeben hat, sollte sich allerdings nicht zu früh freuen: Der Vermieter kann ihn direkt belangen.
Kein Storno gewähren die Kartenherausgeber normalerweise, wenn eine bestellte Ware zwar geliefert wird, aber einen Mangel aufweist. Oder wenn man mit einer Airline im Clinch ist wegen der Entschädigung, die Passagiere gemäss einer EU-Verordnung für annullierte oder stark verspätete Flüge zugut haben. Hier kann der Kunde nicht verlangen, dass der Betrag vom verrechneten Flugpreis abgezogen wird. Postfinance und UBS sagen immerhin, sie würden sich in solchen Fällen dafür einsetzen, dass die Ansprüche des Kunden erfüllt werden.
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Dr. Who (Dienstag, 28 April 2015 16:57)
Diese Firma (cornercard, Diners Club Karte) treibt Handel mit Adressen, bzw. kriegt Adressen von XY.