Quelle: www.nzz.ch (25.06.2015)
«Mehrwert für unsere Kunden ist der Antrieb unseres langfristigen Erfolgs» – diesem ehrgeizigen Vorhaben hat sich die Kreditkartenfirma Swisscard AECS, ein Gemeinschaftsunternehmen von American Express und Credit Suisse, verschrieben. Kunden müssen aber derzeit feststellen, dass Swisscard einige Mühe hat, diesem hehren Leitspruch nachzuleben, denn beim Kontakt mit dem Kundendienst ergibt sich ein etwas anderes Bild.
Credit Suisse überträgt per Juli den Kreditkartenvertrag auf Swisscard, und nach diesem Wechsel hat der Kunde keinen Anspruch mehr auf das Bankgeheimnis. Kartenbesitzer, denen das nicht passt, können ihre Verträge zwar kündigen, aber genau da fangen die Probleme an. Bei Anrufen im Servicecenter kann es sein, dass man 20 Minuten in der Warteschlange ausharren muss, ehe sich ein Mitarbeiter meldet. Rückrufe, die man innerhalb von zehn Tagen zu machen verspricht, erfolgen zum Teil gar nicht, und Kündigungsschreiben sind manchmal auch nach über vier Wochen noch nicht bearbeitet.
Auf die an die Swisscard-Medienstelle gerichtete Frage nach den Hintergründen für diese Situation meldet sich die Kommunikationsagentur Farner und erklärt: «Swisscard bearbeitet alle Kundenanliegen zeitnah.» Sie stellt zudem in Abrede, dass der Kartenherausgeber irgendwelche Probleme im Service hat. Sieht so ein aktives Beschwerdemanagement aus – selbst wenn es sich bei den beschriebenen Fällen um anekdotische Evidenz handelt? Vermutlich nicht.
Bei allen Firmen gibt es unzufriedene Kunden, und die Ursachen dafür sind vielfältig. Sei es – wie wissenschaftliche Studien herausgefunden haben –, weil Unternehmen bei ihrer Kundschaft falsche Erwartungen geweckt haben. Sei es, weil Systemumstellungen oder Produktanpassungen zu Mängeln im Angebot geführt haben. Oder sei es, weil einfach Fehler passiert sind. Nicht selten verquicken sich die Unannehmlichkeiten, wenn etwa IT-Probleme fehlerhafte Rechnungen generieren, es dann zu vielen Reklamationen kommt und Anrufer lange in den Hotlines warten müssen. Dann sind auch aufgrund der Mehrarbeit die Servicemitarbeiter gestresst.
Welche Massnahmen ergreifen Firmen, um Kunden wieder zufriedenzustellen? Dazu sind die Erfahrungen von UPC-Cablecom interessant, denn das Telekomunternehmen war bis vor einigen Jahren so etwas wie der Inbegriff für schlechten Kundenservice.
André Künzler, Leiter des operativen Supports bei UPC-Cablecom, erklärt, dass sich seit dem Managementwechsel 2009 vieles in der Firma verändert habe. Ein Schlüsselerlebnis hatten zunächst 200 Führungskräfte. Sie gingen jeweils zu Kunden nach Hause und informierten sich so direkt über die Erfahrungen von Nutzern mit dem Unternehmen. Dies habe einen mächtigen Impuls für Verbesserungen ausgelöst, sagt Künzler, weil die Beurteilung von Kunden und nicht aus der Geschäftsleitung kam. Die Telekomfirma änderte zudem komplett ihre Sichtweise auf den Kundenservice. Während früher Beschwerden als eine Herausforderung des Servicecenters galten, ist die Kundenzufriedenheit nun für das ganze Unternehmen ein Thema – einschliesslich der Führungsetage. So werden nicht mehr nur die Telefongespräche nach ihrer Qualität beurteilt, sondern sämtliche Interaktionen mit Kunden – also auch technische Installationen oder Lieferungen an Endabnehmer.
Eine weitere äusserst wichtige Änderung gab es bei den Kennzahlen, mit denen UPC-Cablecom arbeitet. Kunden beurteilen nun auf einer Skala von 0 bis 10, wie zufrieden sie sind. Bei schlechten Werten nimmt die Firma Kontakt mit den Nutzern auf und versucht, die Ursachen für das negative Urteil zu verstehen und auf Wünsche einzugehen. Laut Künzler hat UPC-Cablecom früher mit falschen Steuerungsinstrumenten gearbeitet, indem Verantwortliche zum Beispiel auf die Zahl der getätigten Anrufe pro Mitarbeiter oder auf die Dauer des Telefonats geschaut hätten.
Kennzahlen sind im Beschwerdemanagement generell ein bedeutendes Element, wie etwa die Statistiken der SBB zeigen (vgl. Grafik). Unternehmen setzen derzeit auch stark auf sogenannte Empfehlungsraten, also den Anteil der Kunden, welcher die Firma oder die Produkte weiterempfiehlt. Das nutzen etwa die Helsana-Krankenkasse, Swisscom oder die Hirslanden-Gruppe.
Die Auswertungen von Kennzahlen geben Aufschluss darüber, wo ein Unternehmen Stärken und Schwächen hat. Die Verschlechterung eines bestimmten Wertes signalisiert sofort, wo die Verantwortlichen Massnahmen ergreifen müssen. Dies zeigt sich beispielsweise bei Reiseveranstaltern. Tui etwa hat Empfehlungen von Kunden zum Qualitätsmassstab gemacht. So werden schlecht beurteilte Hotels aus dem Angebot genommen. Laut den Angaben von Tui Schweiz bietet das Unternehmen nur Hotels an, in denen mindestens acht von zehn Gästen zufrieden oder sehr zufrieden waren. In der Mittelmeerregion muss die Quote der Zufriedenheit sogar mindestens 83% erreichen. In den vergangenen Jahren hat sich der Reiseveranstalter mit diesem Verfahren von rund 80 Hotels getrennt. Damit versucht man, die Erwartungen der Kundschaft mit den angebotenen Produkten in Einklang zu bringen.
Selbst wenn es sich wie im Beispiel von Swisscard möglicherweise um einzelne Problemfälle handelt, können Firmen solche Situationen heute kaum mehr auf die leichte Schulter nehmen. Diese Erfahrung hat die amerikanische Fluggesellschaft United gemacht. Sie demolierte einem Musiker seine Gitarre und wollte den Schaden nicht ersetzen. Nach einer Odyssee durch verschiedene Abteilungen der Airline wurde es dem Musiker zu bunt. Er komponierte den Song «United breaks guitars» und stellte ihn ins Internet. Das Stück wurde ein Erfolg und in Youtube mehr als 10 Mio. Mal geklickt. Der Konzern wollte plötzlich für die Gitarre aufkommen und die Rechte an dem Video kaufen. Mit einem besseren Beschwerdemanagement hätte sich United viel Aufwand und einen Imageschaden sparen können.
Ein professionelles Beschwerde-Management fängt damit an, dass Unternehmen deutlich sichtbare Kontaktpunkte einrichten, wohin sich Kunden im Falle einer Reklamation wenden können. Der Eingang des Kundenanliegens muss effizient organisiert sein, um angemessen auf die jeweiligen Anliegen zu reagieren und damit nicht gleich ein neues Problem entstehen zu lassen.
Nach Eingang der Beschwerde werden die Kritikpunkte geprüft, und man sucht nach Lösungen. Für häufig auftretende, gleichgelagerte Reklamationen haben Firmen oft Standardantworten vorbereitet. Die Kunst bei einer solchen Vorgehensweise besteht darin, trotz vorbereiteten Textbausteinen und routinemässigen Zugeständnissen dem Kunden noch den Eindruck zu vermitteln, dass sein Anliegen wichtig und die Lösung individuell auf ihn zugeschnitten ist. Im Nachgang wird die geäusserte Kritik firmenintern untersucht – man eliminiert allfällige Schwachstellen in den Prozessen oder schult die Mitarbeiter.
Unternehmen teilen ihre Kundschaft häufig in gewisse Typenklassen ein (vgl. Grafik). Je nach Kategorie reagieren die Firmen auf Beschwerden unterschiedlich. So sind die sogenannten Loyalen (etwa 40%) zufriedene Kunden, die auch Lob an Freunde und Bekannte weitergeben. Das ist die wichtigste Gruppe für Unternehmen. Jene Teile der Kundschaft, die durch ihre Kaufverträge gebunden sind, werden im Firmenjargon oft als Gefangene (40%) bezeichnet.
Nörgler oder Meckerer (10%) sind unzufriedene Kunden, die sich nicht mit dem Anbieter identifizieren und nicht an die Gesellschaft gebunden sind. Fällt so eine Person oder ein Geschäftskunde mit mehreren Beschwerden auf, lassen ihn Firmen nicht selten ziehen. Söldner (10%) heissen diejenigen Teile der Kundschaft, die so lange Konsument bei einem Anbieter bleiben, bis sie ein besseres Angebot gefunden haben. Sie zum Bleiben zu bewegen, lohnt sich aus Unternehmenssicht meist nicht.
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beat.schaelle @bluwin.ch (Dienstag, 28 Mai 2019 12:56)
Sehr geehrte Damen und Herren der SBB
am Sonntag den 26.5.19 fuhr ich um 16.51Uhr von Flawil nach Fräschels.
Leider war die fahrt wahnsinnig mühsam,denn in Zürich stellte sich heraus ,dass nicht wie im App beschrieben
eine Baustelle (zwischen Olten und Lenzburg) sondern ausfälle der Züge die Folge hatte.
Es war sehr schlecht angegeben oder gar nicht,wo und was für Möglichkeiten besthen um nach Bern zu gelangen!!
Zu allem übel war der Zug shr dreckig,das WC hatte kein Wasser zum Händewaschen.
Eine Glastüre im unteren Bereich musste per Hand und Fuss geöffnet werden ,was leider nicht alle konnten!
Eine stunde länger als geplant dauerte die reise,und der Zug war übervoll!
das macht kein spass,auch mit allem verständniss!!
Ich bitte sie um Rückmeldung!
mit freundlichem Gruss F.Schälle