Dating-Websites führen in die Falle

Fast unkündbar, automatisch verlängertes Abo, Drohungen der Firmen: Der Fall von Heyo Heyen zeigt, wie die Liebe im Web zum Albtraum wird.

Quelle: Tagesanzeiger.ch (25.10.2015)

Heyo Heyen will sich endlich wieder verlieben. Seit ihn seine Frau vor sechs Jahren für einen anderen verlassen hat, ist er allein. Mitte Juli meldet sich der 56-jährige Deutsche aus Braunschweig bei der Onlineplattform Brauchsex.com an. Es sei ihm «nicht um reines Vergnügen» gegangen, sagt er. Vielmehr habe er gehofft, eine Frau für eine neue Beziehung zu finden. «Es ist mir nicht wichtig, wie sie aussieht. Ich will einfach glücklich mit ihr sein.»

Er löst eine dreimonatige Premium-Mitgliedschaft für knapp 90 Euro. Er gibt seinen Namen an, seine Wohnadresse, seine E-Mail-Adresse, die Angaben seiner Bank. Kurz darauf wird er aufgefordert, eine Kopie seines Personalausweises sowie seiner Bankkarte einzuschicken. «Ich fand das unverschämt», sagt Heyen. «Und es machte mich stutzig.» Sofort löscht er sein Profil – und kontaktiert die Betreiberfirma der Website, die Firma Dateyard AG mit Sitz im zugerischen Baar. Er will per Mail von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen. Doch es ist bereits zu spät: Der Supportdienst von Dateyard AG antwortet Heyen, man könne seiner «Anfrage nicht nachkommen». Er habe die digitale Dienstleistung «schon in Anspruch genommen», deshalb sei «kein Widerspruch möglich».

Smiley von «Anna»

Heyen wird auf Nachfrage geraten, seine Premium-Mitgliedschaft zu kündigen. In der E-Mail, die ihn erreicht und die auch dem TA vorliegt, wird ihm gedroht: «Vertrag bleibt aber Vertrag, und dieser ist bindend. Gerne setzen wir uns diesbezüglich auch mit der Polizei auseinander, die Interpol wird wohl Besseres zu tun haben:-) (. . .) Viele Grüsse, Anna Support.» Heyen kann sich am Smiley von «Anna» nicht erfreuen. Er versucht, wie von Dateyard geraten, ein Kündigungsschreiben auf der Website herunterzuladen und auszufüllen. «Doch egal, was ich probierte: Das PDF-Formular liess sich nicht öffnen.» Heyen vermutet Absicht dahinter.

Einen knappen Monat später erhält Heyen, der es «einfach mal im Internet probieren» wollte, erneut Post – diesmal in seinen richtigen Briefkasten, von einer deutschen Inkassofirma namens Fairmount GmbH. Zuzüglich Mahngebühren, Bankkosten und Gebühr an Fairmount schulde er nun einen Gesamtbetrag in der Höhe von knapp 149 Euro, schreibt die Firma im Brief. Auch Fair­mount droht – mit einem Anwalt. Heyen holt sich Rat im Internet und beschliesst, das Schreiben zu ignorieren. Den längst abgezogenen Premium-Mitgliedschaftsbetrag von knapp 90 Euro hat er von seiner Bank bereits im Juli zurückerstattet erhalten. Doch noch bis Oktober erhält er weitere Briefe.

Zwischen agressiv und salopp

Noch ungemütlicher wurde es für den Deutschschweizer Peter Müller (Name geändert). Auch er loggte sich bei Brauchsex.com ein, auch er bekam es mit Dateyard und Fairmount zu tun. Die Korrespondenz zeigt, dass sich Müllers Testangebot automatisch verlängert hat, da er innerhalb des Testzeitraumes keine «wirksame Kündigung» eingereicht hat. Aus dem Testabo ist damit ein «Vollzugang» geworden, nun müsse er zahlen, wird ihm mehrfach geschrieben. Als Müller der Aufforderung nicht nachkommt, schreiten Dateyard, Fairmount und schliesslich eine Münchner Anwaltskanzlei ein. Der Ton schwankt zwischen aggressiv und salopp: Es werde «nichts nutzen, wenn Sie weiterhin den Kopf in den Sand stecken und eine Lösung in der Angelegenheit verweigern», schreiben die Anwälte etwa. Die Forderung sei «überfällig», es würden «nicht unerhebliche weitere Kosten und Gebühren entstehen», wenn er nicht zahle.

Die letzte Drohung per Post ist wenige Wochen alt. Müller, der verheiratet ist, fühlt sich «verunsichert», wie er sagt. Er möchte nicht, dass seine Frau irgendetwas erfährt. «Ich war neugierig. Und ja, vermutlich war ich auf der Suche nach Sex.» Aber so etwas habe er nicht erwartet. Er habe absichtlich eine Website ausgesucht, die von der Schweiz aus betrieben werde. «Ich dachte, sie sei seriös», sagt er.

Wie Recherchen des TA zeigen, fühlen sich nicht nur Heyen und Müller, sondern zahlreiche Nutzer von Dateyard ausgenützt, abgezockt und hintergangen. Auch Thomas Frei, Walter Meier und Rudolf Huber (alle Namen geändert) haben von der Schweiz oder von Deutschland aus Websites benutzt, die von der Baarer Firma betrieben werden. Frei loggte sich auf Affairme.ch ein, Meier wählte Richtigwild.de, Huber entschied sich für Geheimesverlangen.com. Die Firma betreibt weiter – um nur ein paar Beispiele zu nennen – Flirtfreunde.de, Dateone.de sowie Jenny18 mit den Endungen .ch, .de und .at. Die Startseiten sind meist ähnlich aufgebaut: wenig Text, eine Handvoll Bilder von jungen, gut aussehenden Frauen sowie eine Eingabemaske für die Anmeldedaten der Kunden.

In allen Fällen entschieden die Männer kurz nach der Anmeldung, diese wieder rückgängig zu machen. Weil sie nicht noch mehr persönliche Angaben bekannt geben wollten, weil sie doch nicht so viel Geld ausgeben wollten, weil sie nicht zufrieden mit dem Angebot waren, weil ihnen die Seiten suspekt vorkamen. Mehrere Männer erwähnen, sie hätten das Gefühl gehabt, es mit gefälschten Profilen zu tun zu haben oder aber mit «Frauen, die das professionell machen», wie es Heyo Heyen formuliert. Thomas Frei sagt: «Auffallend war, dass sich innerhalb der ersten Stunde nach Einrichten der Premium-Mitgliedschaft eine attraktive Frau meldete, deren Bild aber ganz eindeutig nicht echt, sondern arrangiert war.» Das habe in ihm schnell den Verdacht geweckt, es handle sich um einen «Fake». Rudolf Huber hat stutzig gemacht, dass «viele Frauen in ihren Profilen eine Körpergrösse von 1,20 Metern oder gar nichts angegeben hatten».

Hart umkämpfter Markt

Das Problem der sogenannten Fake-Profile wird vor allem in Deutschland heftig diskutiert – seit dem Hackerangriff auf das Seitensprungportal Ashley Madison umso mehr. In Internetforen klagen Nutzer über standardisierte Antworten mit immer gleichen Textbausteinen. Es falle auf, dass die Frauen ihren Wohnsitz immer genau da hätten, wo man selber herkomme. Und dass Bekannte, die dasselbe Portal nutzten, identische Nachrichten erhielten – nur von anderen Profilen. Ausserdem träfen die Nachrichten immer «sofort und direkt» ein, sobald man sich einlogge oder auf ein Profil klicke, schreibt ein Nutzer. «So schnell kann kein Mensch sehen, dass ich sein Profil aufgerufen habe, geschweige denn in dieser Zeit antworten.»

Dabei fällt der Name von Dateyard AG – aber bei weitem nicht nur. Offenbar wollen viele Firmen vom boomenden Geschäft mit Onlinepartnerbörsen profitieren. Doch der Markt ist hart umkämpft: Laut «Spiegel» waren Ende 2013 rund 7 Millionen Deutsche auf rund 2000 Partnerschaftsseiten angemeldet, der Gesamtumsatz des Datinggeschäfts betrug 218 Millionen Euro. In der Schweiz schätzt ihn der Marktforscher Singlebörsen-Vergleich.ch auf 37,6 Millionen Franken (2014).

Der Fall Ashley Madison hat gezeigt, dass viele Portale Lockvögel beschäftigen, die die meist männlichen Kunden unter falscher Identität anschreiben. Zu einem Treffen kommt es nie, das Ziel ist klar: Sie sollen möglichst rasch eine teure Premium-Mitgliedschaft lösen.

Virtuelle Identität als Nebenjob

Gewisse Portale machen in den allgemeinen Geschäftsbedingungen transparent, dass sie diese sogenannten Controllerinnen einsetzen. Hinter Cindy (26), der knackigen Studentin, merkt der Nutzer dann, steckt in Wahrheit die 54-jährige Hausfrau Barbara, die sich mit dem Annehmen falscher virtueller Identitäten ein Taschengeld dazuverdient.

Doch wer liest schon die allgemeinen Geschäftsbedingungen, bevor er im Internet etwas bestellt oder in Anspruch nimmt? Und sowieso gibt es noch immer genügend Websites, die ihre Lock­vögel, die übrigens auch Männer sein können, versteckt einsetzen. Bei Dateyard etwa sind sie offiziell kein Thema.

Wie viele Benutzer von Onlinepartnerbörsen bedroht und betrieben werden, darüber liegen keine Zahlen vor. Doch die Konsumentenschützer sind längst auf das Problem aufmerksam geworden. «Wir erhalten regelmässig Beschwerden von Nutzern, die in die Falle getappt sind», sagt Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz. In die Falle tappen heisse, einen sogenannten Rollover-Vertrag abzuschliessen, der sich «dauernd und automatisch» verlängere und nur sehr schwer kündbar sei.

Dateyard weicht aus

Auf Anfrage des TA liefert Dateyard eine ausführliche Erklärung ihrer Tätigkeit als «technischer Dienstleister für unterschiedliche Datingapplikationen». Auf die eigentlichen Fragen geht die Firma jedoch nicht ein. Wichtig zu erwähnen ist ihr, dass sie derzeit rasant wachse – «mit über 10 000 Neuanmeldungen pro Tag, die Mehrheit der kontaktfähigen Mitglieder hiervon ist weiblich». Zum Schutz der Nutzer habe man «mehrere Mechanismen umgesetzt, um den Missbrauch unseres Systems schnell erkennen und verhindern zu können». Was diese genau beinhalten, bleibt unklar. Die Inkassofirma Fairmount GmbH re­agierte nicht.

Heyo Heyen aus Braunschweig, der im Internet bitter enttäuscht wurde, hat inzwischen einen anderen Plan, wie er Frauen kennen lernen will: «Ich versuche nun, öfters rauszugehen», sagt der 56-Jährige. «Man ist ja auf der Suche.»

Wie können Sie sich schützen?

Mehr Infos zum Thema Online Partnervermittlung und was Sie tun sollten, wenn Sie bereits in die Falle getappt sind.


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lic. iur. Christian Jenny


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