Teure Finanzsanierung statt Kredit: Die Global Marketing Services AG

Die Webseiten von rocket-money, financial-network, lfirst-ag, neoplus-fin, only-finance, moving-finance bieten teure Sanierungsverfahren statt einen Kredit an. An dieser Stelle beleuchten wir die neusten Entwicklungen und nennen Akteure dieser Branche, welche gegenwärtig besonders hervorstechen.

Betroffene, die im Internet nach einer Lösung für ihre finanziellen Probleme suchen, stossen auf Ihrer Suche nicht selten auf Seiten wie Only-finance.com, rocket-money.ch, financial-network.net, lfirst-ag.ch, neoplus-fin.com und moving-finance.com. Diese werben mit Schlagworten wie «Wir lösen erfolgreich und diskret die Liquiditätsprobleme unserer Kunden». Doch anstatt einer nachhaltigen Finanzierunglösung, werden die Hilfesuchenden in teure Sanierungsverfahren verwickelt, die ihre Probleme nicht lösen, sondern verschärfen. Zusätzliche Kosten und Gebühren führen dazu, dass sie (noch) tiefer in die Schuldenfalle geraten.

«Finanzsanierung» und «Finanzierung» ist nicht das Gleiche

Eine Finanzsanierung ist keine Kreditvergabe. Das dies aber verwechselt werden kann, das wissen diese Anbieter und spielen auch bewusst damit. Denn auch wenn die beiden Begriffe „Finanzierung“ und „Finanzsanierung“ ähnlich klingen, geht es doch inhaltlich um ganz unterschiedliche Themen. Bei einem Kredit erhält der Schuldner von einem Kreditgeber (z.B. einer Bank) eine Geldsumme, die er dann zu einem späteren Zeitpunkt mit Zinsen zurückzahlen muss. Anders als eine Kreditvergabe funktioniert aber das Konzept der Finanzsanierung: Hier erhält der Schuldner kein neues Kapital. Stattdessen handelt es sich um eine Dienstleistung, bei der die Schulden des Schuldners durch Verhandlungen mit den Gläubigern umstrukturiert oder Ratenzahlungen organisiert werden, um langfristig die Beseitigung der Schulden zu erreichen.

Praxisbeispiel: Herr Schneiders schmerzvolle Begegnung mit einem Finanzsanierer[1]

Herr Schneider, ein Familienvater aus Winterthur, geriet nach der Scheidung mit seiner Frau und dem Verlust seines Arbeitsplatzes in finanzielle Schwierigkeiten. Auf Social Media erweckte eine Werbung einer Webseite, welche «Finanzsanierung» anbot, seine Aufmerksamkeit. Die Werbung und der darauffolgende Besuch der Webseite versprachen schnelle Hilfe bei Liquiditätsproblemen. Da für ihn nicht klar ersichtlich war, was «Finanzsanierung» genau bedeutet, nahm er an, es handle sich um einen Kredit, der seine akuten Geldsorgen lösen würde. Nach dem Ausfüllen des Antrages erhielt er einen Anruf des Unternehmens. Herr Schneider fragte bei dem Herrn am Telefon kritisch nach, ob es sich bei der «Finanzsanierung» tatsächlich um einen Kredit handle, da im betreffenden Vertrag dieser Begriff nirgends zu lesen war. Telefonisch wurde ihm das klar bejaht. Nach einer Vorauszahlung von 1.500 CHF hoffte er auf den dringend benötigten Kredit, wurde aber nur an eine weitere Firma vermittelt, welcher er wiederum einen Vorschuss leisten sollte. Jetzt wurde Herr Schneider kritisch und wollte nochmals telefonisch nachfragen. Aber weder der ursprüngliche Anbieter noch der vermittelte Finanzsanierer waren unter der teuren 0800-Nummer zu erreichen.

«Finanzsanierung» nach Schweizer Recht

Der Begriff der «Finanzsanierung» ist kein rechtlicher, technischer Begriff, sondern meint, dass die Schuldnerin mit allen Gläubigerinnen eine Vereinbarung über die Rückzahlung der Schulden trifft mit dem Ziel, die Schulden vollständig zu begleichen oder zu reduzieren. Dabei können entweder alle Schulden in Raten zurückbezahlt werden oder nur ein Teil der Schulden. Am Ende der Vereinbarung sollen idealerweise keine Schulden mehr bestehen[2]. Das grundlegende Konzept einer solchen Schuldensanierung ist legal und je nach Situation auch sinnvoll. Dabei sollten sich die Betroffenen aber an einen seriösen Anbieter wenden, wie die Caritas Schweiz (Link: https://caritas-regio.ch/) oder eine kantonale Schuldenberatung, wie die Schuldenberatung Kanton Zürich.

Die Finanzsanierer meiden schriftlich den Begriff «Kredit»

Unseriöse «Finanzsanierer» im Internet, wie «Only-Finance», nutzen die finanzielle Notlage von Menschen aus und spielen mit der Verwechslungsgefahr von «Finanzsanierung» und «Finanzierung». So bleiben Sie auf Ihren Webseiten bewusst vage und verwenden Formulierungen wie «Teilen Sie uns Ihren finanziellen Bedarf mit, um passende Angebote zu erhalten» oder «Wir freuen uns, Ihnen auf dem Weg zur finanziellen Unabhängigkeit tatkräftig zur Seite zu stehen.» Das Wort «Kredit» wird dabei bewusst nie genannt. Auch nicht in den konkreten Verträgen, welche die Opfer mit diesen Anbietern eingehen. Eine verklausulierte Richtigstellung gibt es z.B. beim Anbieter «Only-Finance» nur in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Dort heisst es unter Punkt 2 der AGB, dass es sich bei der Dienstleistung keinesfalls um eine Rechtsberatung oder eine Darlehensvermittlung handelt, sondern um eine «Regulierung/Schuldensanierung». Auch dies geschieht bewusst: Sollte es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen, so können sie sich darauf berufen und behaupten, es wäre ja nie von einer Kreditvergabe die Rede gewesen, sondern immer von einer legalen Schuldensanierung gegen ein Entgelt, resp. Vorauszahlung.

Kreditversprechen erfolgen telefonisch, um Nachweisbarkeit zu umgehen

Wer allerdings den Versprechungen der Anbieter glaubt und das Formular für eine «kostenlose und unverbindliche Anfrage» sendet, erhält schnell einen Rückruf. Wie die Reklamationszentrale Schweiz von Opfern weiss[3], wird dann aber am Telefon sehr wohl ein schneller und unkomplizierter Kredit versprochen. Selbst dann, wenn die Betroffenen diesbezüglich nochmals kritisch nachfragen. Es wird erklärt, dass der Weg zum gewünschten Kredit ganz einfach sei: Man soll lediglich einen bestimmten Betrag als Vorauszahlung leisten, dann werde man an eine Partnerfirma vermittelt, welche dann die Auszahlung des Kredites vornehme. Tatsächlich handelt es sich bei dieser «Partnerfirma» dann um einen weiteren Finanzsanierer, welcher wiederum dieses Spiel weitertreibt. Geld erhalten die Betroffenen allerdings nie. Wenn Sie schliesslich versuchen, mit den Anbietern telefonisch in Kontakt zu treten (auch das wiederum auf kostenpflichtige Telefonnummern), werden sie mit Ausreden hingehalten.

Das Finanzsanierer-Netzwerk rund um die Global Marketing Services AG (GMS AG)

Die seit August 2005 im Handelsregister Zürich eingetragene Global Marketing (GMS AG) Service AG an der Hüttistrasse 8 in 8050 Zürich scheint in einem dieser Netzwerke eine zentrale Rolle zu spielen. Die GMS AG betreibt sog. Affiliate-Marketing. Dies ist eine Form des Online-Marketings, bei der das Unternehmen seine Partner (sogenannten Affiliates) belohnt, wenn diese dazu beitragen Verkäufe, Leads oder Traffic zu generieren. Und unter diesem «Dach» betreibt diese Unternehmen zahlreiche Finanzsanierer, welche gemäss Impressum als Marke zu der GMS AG gehören und einen Webauftritt besitzen. Diese sind insbesondere:

rocket-money.ch

Rocket-Money
Spaces Z.ONE
Leutschenbachstrasse 95
CH-8050 Zürich

financial-network.net

Global Marketing Service AG
Spaces Z.ONE
Leutschenbachstrasse 95
CH-8050 Zürich

lfirst-ag.ch

Liquid First AG
World Trade Center
Leutschenbachstrasse 95
CH-8050 Zürich

neoplus-fin.com

Neoplus-Fin-GMS-AG
Spaces Z.ONE
Leutschenbachstrasse 95
CH-8050 Zürich

only-finance.com

Spaces Z.ONE
Leutschenbachstrasse 95
CH-8050 Zürich

moving-finance.com

MovingFinance-GMS-AG 
Spaces Z.ONE
Leutschenbachstrasse 95
CH-8050 Zürich

Was dabei interessant ist: Die geografische Adresse, welche auf diesen Webseiten angegeben ist, ist immer in Zürich Oerlikon (Zürich, Postleitzahl 8050). Wobei sich die Hüttistrasse 8, Sitz der GMS AG, und die Leutschenbachstrasse 95, die Marken der GMS AG, wenige Gehminuten auseinanderliegen.

Die Personalangaben im Handelsregister offenbaren ein Netzwerk

Bei den Personalangaben im Handelsregister ist in der Funktion als Mitglied des Verwaltungsrates mit Einzelunterschrift bei der GMS AG ein Herr Günther Dennis eingetragen. Sucht man nun im Handelsregister nach dem Namen Günther Dennis, dann erscheinen weitere Unternehmungen, welche entweder noch aktiv, sich in Liquidation befinden oder bereits gelöscht wurden. All diese Unternehmungen fungieren im Umfeld der GMS AG und bieten Finanzsanierung an. Auffällig: bei zahlreichen dieser Unternehmungen ist als Personenangabe im Handelsregister zusätzlich ein Günter Ulrich eingetragen. Kombiniert man jetzt diese Suche mit diesen beiden Namen, erschliesst sich ein umfangreiches Netzwerk von verschiedenen Finanzsanierern.

Das Netzwerk von Herrn Günther Dennis und Herrn Günther Ulrich

Die Tatsache, dass so zahlreiche Firmen im Handelsregister unter diesen beiden Namen eingetragen sind und allesamt in irgendeiner Form mit Finanzsanierung in Verbindung stehen, ist ein starkes Indiz dafür, dass diese Netzwerke äusserst dynamisch agieren: So schnell wie sie auf der Bildfläche erscheinen, tauchen sie auch wieder unter, wechseln ihre Namen oder werden einfach an neue Besitzer übertragen:

  • Global Marketing Service AG (aktiv seit 2005)

  • Blue Point International Marketing (aktiv seit 2018)

  • Casa & Business AG (in Liquidation: 10.08.2023)

  • Challenge Marketing AG (aktiv seit 2005)

  • Globe Advantage AG (aktiv seit 2002)

  • International Cooperation Service AG (gelöscht 29.06.2023)

  • Phönix Finanzsanierungs AG (konkurs 24.07.2024)

  • webLOTSEN Günther & Intrau KlG (gelöscht 25.0.2020)

  • International Trade Association AG (gelöscht 2010)

  • Silver Management & Consulting AG (aktiv seit 1973)

  • Liquid Fist AG (gelöscht: 21.03.2024)

 
Die Geschäftspraxis der Finanzsanierer aus rechtlicher Sicht

Wie die überwiegende Mehrheit der Juristen, ist auch Rechtsexpertin Rahel Habegger von der Dextra Rechtsschutz AG der Ansicht, dass die Geschäftspraxis der Finanzsanierer, aus mehreren Gründen gegen das Gesetz verstösst. So stellen die Finanzsanierer eine Leistung in Aussicht, welche Sie nie erbringen werden. Dies stellt zivilrechtlich eine absichtliche Täuschung gemäss Art. 28 des Schweizerischen Obligationenrechtes (OR) dar, im strafrechtlichen Sinne ist es ein Betrug nach Art. 146 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB).

Weiter ist die Praxis der Finanzsanierer auch unlauter. Gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. b des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dürfen Unternehmen über ihre Leistungen keine unrichtigen und/oder irreführenden Angaben machen. Da die Finanzsanierer bewusst und geschickt mit der Verwechslungsgefahr von «Finanzsanierung» und «Finanzierung» spielen, erscheint dieser Tatbestand als erfüllt.[4]  

Bundesanwaltschaft (BA) leitet internationale Ermittlungen gegen ein Netzwerk von Finanzsanierern

Am 3. Februar 2021 führten Schweizer und deutsche Behörden eine koordinierte Aktion im Rahmen eines laufenden Strafverfahrens namens "CH-Force/Sanierungsbetrug". Dabei wurden an über 30 Standorten in der Deutschschweiz und im süddeutschen Raum Hausdurchsuchungen bei verdächtigen Personen sowie beteiligten Unternehmen durchgeführt, um Beweismittel zu sichern. Dieses gross angelegte Verfahren wird von der BA geleitet und richtet sich gegen ein mutmasslich betrügerisches Geschäftsmodell von Finanzsanierern, das seit 2015 zahlreiche Kredit suchende Personen betroffen haben soll.

Im Zentrum des Verfahrens steht der Verdacht, dass eine international agierende Gruppe über ein komplexes Netz von Unternehmen Menschen in finanziellen Schwierigkeiten systematisch durch Finanzsanierung betrogen haben. Insgesamt soll der Schaden rund 10 Millionen Schweizer Franken betragen.

Der aktuelle Stand der Ermittlungen zeigt, dass das Verfahren sehr umfangreich und komplex ist. Über 250 Strafanzeigen wurden bisher eingereicht. Trotz intensiver Bemühungen können die Behörden derzeit keine klare Prognose über den Ausgang des Verfahrens geben, da es sich um einen dynamischen Prozess handelt. Es gilt weiterhin für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung, und die BA macht momentan keine weiteren Angaben zu konkreten Verfahrensschritten[5]. Allerdings hat die Reklamationszentrale beim Kommunikationsdienst der Bundesanwaltschaft eine Anfrage über den aktuellen Stand des Verfahrens gemacht, wobei wir zum Zeitpunkt der Publikation dieses Artikels noch keine Antwort erhalten haben.

Sie wurden Opfer eines unseriösen Finanzsanierers? Erstatten Sie sofort eine Anzeige

Am einfachsten ist es, die Anzeige mündlich beim nächsten Polizeiposten in Ihrem Kanton zu erstatten. Es besteht auch die Möglichkeit, Anzeigen über die Plattform Suisse ePolice in schriftlicher Form einzureichen. Wenn Sie Dokumente, Maikorrespondenz, Screenshots usw. haben, welche für die Klärung der Straftat oder als Beweise von Relevanz sind, dann können Sie diese ebenfalls auf der Polizei als Beweismittel übergeben. Auch wenn die Erfolgschancen gering sind ist eine Anzeige unumgänglich.


[1] Reale Anfrage an die Reklamationszentrale: Name und Ort geändert. 

[2] Vgl. Caritas Schweiz: Ratgeber Schuldensanierung

[3] So auch der Beobachter in seinem Bericht von Thomas Angeli, vom 26. März 2021: «Wie Firmen die Not von Verschuldeten ausnutzen»

[4] Artikel auf der Reklamationszentrale vom 20. März 2020: «Unseriöse Finanzsanierer, ein organisiertes Netzwerk?»

[5] Siehe Medienmitteilung der Bundesanwaltschaft vom 3. Februar 2021: CH-Force/Sanierungsbetrug: Koordinierte Aktion in der Schweiz und Deutschland


Haben Sie weitere Informationen zum Netzwerk der GMS AG, kennen Sie Betroffene oder wurden gar selber Opfer?

Melden Sie uns Ihre Erfahrungen

Wir sind uns bewusst, dass das Thema Finanzsanierung für Betroffene mit grosser Scham behaftet ist. Deshalb ist es für uns und die Besucherinnen und Besucher unserer Seite von besonderer Wichtigkeit, dass sich Opfer dieser Finanzsanierer bei uns melden. So können wir über aktuelle Entwicklungen informieren und vor weiteren Gefahren warnen. Darüber hinaus arbeiten wir derzeit mit einem renommierten deutschen Medienhaus an einem Fernsehbeitrag über das Netzwerk der GMS AG. Für diese investigative Berichterstattung wäre es von grosser Bedeutung, wenn auch Betroffene ihre Erfahrungen teilen würden. Selbstverständlich können Sie in diesem Beitrag auch vollkommen anonym bleiben.

lic. iur. Christian Jenny

«Falls Sie sich in einer finanziell schwierigen Situation befinden, dann wenden Sie sich am besten an eine seriöse, unentgeltliche Schuldenberatung wie die Caritas Schweiz.»


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